Vergleichszwang in Bauprozessen

 

Bevor Sie einem gerichtlichen Vergleich zustimmen, sollten Sie nicht nur das gerichtliche Baugutachten auf seine Richtigkeit prüfen lassen, sondern insbesondere die Mängelbeseitigungsvorstellungen auf Vollständigkeit und Stimmigkeit und die Kostenangaben auf Auskömmlichkeit.
Also, von den fiktiven Annahmen des Gerichtsgutachters zur tatsächlich notwendigen Mängelbeseitigung und realistischen Preisorientierung vor Ort gelangen, um schwere Anspruchs- und Geldeinbußen zu minimieren.
Hier kann ich Ihnen und Ihrem Rechtsbeistand helfen, nicht nur die Fehler im Gutachten aufzuzeigen, sondern auch die tatsächlich zu erwartenden Kosten zu ermitteln und die notwendigen zielführenden Ergänzungsfragen an den Gerichtsgutachter zu formulieren.

Die folgende Betrachtung ist nicht als Rechtsberatung zu verstehen, sondern als Hinweis für Baupfusch-Geschädigte und deren Rechtsanwälte.
(Den juristisch gebildeten Leser weise ich darauf hin, dass juristische Begriffe von mir bewusst nicht gemäß der Lehrmeinung gebraucht werden. Verwendung und Deutung dieser Begriffe beschreiben meine Kritik an den Aufweichungen der Lehrbuch- und Gesetzesdefinitionen in der Realität meiner Erfahrungswelt, siehe *. Das juristische Denksystem wird zur reinen Fiktion, wenn es in der Realität sich nicht von seinen eigenen Definitionen, die ihre spezifische Besonderheiten und Intentionen beschreiben, leiten lässt.)

Ein Vergleich in Bauprozessen ist kritisch zu sehen, daher meine These:      

Der Vergleichszwang in Bauprozessen begünstigt den Pfusch am Bau!

Bauprozesse sind Zivilprozesse und unterliegen der Zivilprozessordnung (ZPO). Das heißt, die Regeln (Normen) der ZPO bestimmen den Verlauf des Rechtsstreits und das Verhalten des Gerichts.
Das Gericht hat den Rechtsstreit durch Urteil zu richten oder durch Vergleich zu schlichten.

Merkmale der Zivilprozessordnung (ZPO), die sich auf den Bauprozess auswirken, zum Beispiel:
-
Die ZPO bindet den Richter nicht nur an ihren Inhalt, sondern beeinflusst in
wesentlichem Maße seine Arbeitsmethodik = sein prozessuales Denken.
-
Der Zivilprozess ist Parteiprozess, in dem die Parteien den Sachverhalt beherrschen und der Kläger allein den Streitgegenstand bestimmt.
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Das Gericht entscheidet nur über denjenigen Klageantrag (Sachantrag), den der Kläger (noch) in der letzten mündlichen Verhandlung stellt.
-
Das Gericht verwertet im Urteil nur diejenigen Tatsachen, die eine Partei behauptet hat und zu denen die andere Partei die Möglichkeit hatte, sich zu äußern.
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Der Verfügungsgrundsatz:
Der Kläger bestimmt mit Klageantrag und Klagegrund den Streitgegenstand, über den das Gericht entscheiden soll. Mit ihm bestimmt der Kläger den Streitgegenstand und begrenzt so die Entscheidungsgewalt des Gerichts. Es ist Sache des Klägers, den richtigen Antrag zu stellen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, dem Kläger dabei zu helfen.
-
Der Beibringungsgrundsatz:
  - Die Parteien bestimmen und liefern den Sachverhalt, das Gericht zieht
    daraus die rechtlichen Schlussfolgerungen.       
  - Das Gericht ist an die Parteibehauptungen gebunden.
  - Die Parteien haben die Behauptungs- und Beweislast. Das heißt, der
    Kläger muss mindestens behaupten, und falls der Beklagte bestreitet, die
    Richtigkeit seiner Behauptung auch noch durch das Vorliegen der
    Voraussetzungen derjenigen Rechtsnormen beweisen, deren
    Rechtsfolgen er anstrebt. Die Parteien bestimmen worüber Beweis zu
    erheben ist. Beweisen = das Gericht davon zu überzeugen, die streitige
    Behauptung sei wahr.          
- Das Gericht erhebt nur über streitige, erhebliche
    Tatsachenbehauptungen Beweis.
  - Das Gericht hat hier eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der
    Vollständigkeit des Vorbringens. Es steht den Parteien frei, dem zu
    entsprechen.
-
Mündlichkeit vor Schriftlichkeit. Erst der mündliche Parteivortrag zählt in
der Verhandlung. Schriftsätze kündigen den mündlichen Parteivortrag nur an.
-
Beweisregel:
Jede Partei muss ihre streitigen, erheblichen Behauptungen, für welche sie
die Beweislast trägt, mit den Beweismitteln der ZPO voll beweisen.
Das heißt, der Kläger muss seine anspruchsbegründenden, der Beklagte,
die anspruchshindernden, -vernichtenden und –hemmenden, dann der
Kläger wiederum die anspruchserhaltenden Tatsachen behaupten und
beweisen.   
Beweisthema = die streitige, erhebliche Tatsache.
-
Freiheit der Beweiswürdigung.
Hat das Gericht den erforderlichen Beweis erhoben, muss es ihn nach
folgenden Regeln würdigen:
Ob eine streitige, erhebliche Parteibehauptung wahr ist, entscheidet das
Gericht gemäß § 286 Absatz 1 Satz 1 ZPO „nach freier Überzeugung“.
Das Gesetz verlangt objektiv eine hohe Wahrscheinlichkeit* und subjektiv
die Überzeugung des Gerichts. Wahrscheinlichkeit ohne Überzeugung
genügt nicht. Überzeugt ist das Gericht erst, wenn es keine vernünftigen
Zweifel mehr hat.
-
Schlüssigkeit* des Parteivorbringens geht vor Wahrheit*. Die Klage ist
dann schlüssig, wenn der Kläger ausreichend behauptet und keine
Gegennorm seinen Anspruch ausschließt, zerstört oder hemmt.
-
Unterscheidung zwischen Tatsache und rechtlicher Wertung.
-
Sachverständigenbeweis:
Mit seinem Gutachten soll der Sachverständige dem Richter
Erfahrungssätze und Spezialkenntnisse anderer Wissenschaften,
Techniken und Berufe vermitteln und ihm bei der Anwendung der spezialwissenschaftlichen Schlussfolgerung auf den vorliegenden
Einzelfall helfen.
Den Richter bindet das Sachverständigengutachten nicht.
Dem falschen, widersprüchlichen oder zweifelhaften Gutachten darf er
nicht folgen.
-
Das selbstständige Beweisverfahren, Titel 12 ab § 485 ZPO.
-
Urteil und Vergleich haben den gleichen Rang.

Wer auf der Grundlage dieser ZPO die Ermittlung der Wahrheit durch die Gerichte und ein Urteil erwartet, das der Gerechtigkeit genügt, kann sehr enttäuscht werden. Aber, und diese Frage muss so gestellt werden: Wenn nicht die Gerichte für Wahrheit und Gerechtigkeit stehen, wer dann ?

Wahrheit*            
= das, was glaubhaft gemacht werden kann.
= die Aussage über einen Sachverhalt, die nachvollziehbar schlüssig ist,
    somit als bewiesen angesehen werden kann.

Glaubhaftmachung*      
= die volle Beweisführung für die Berechtigung eines geltend gemachten
    Anspruchs.

Daraus ergibt sich:
Wahrheit*            
= die zweifelsfreie Überzeugung des Gerichts, dass die
   anspruchsbegründende Tatsache vorliegt und bewiesen ist.                      
= die Entscheidung des Gerichts „nach freier Überzeugung“ unter der
   Annahme eine hohen Wahrscheinlichkeit.

Für die Überzeugung des Gerichts genügt es, wenn es nach der Beweisaufnahme die Wahrheit der Tatsache für überwiegend wahrscheinlich* hält. Das heißt, für das Gericht ist die Tatsache glaubhaft gemacht worden. Die Glaubhaftmachung* relativiert die Wahrheit* und reduziert diese auf die jeweilige individuelle Erkenntnisfähigkeit der Richter und Richterinnen und deren sachverständigen Helfer.

Daraus ergibt sich, zum Beispiel für einen Bauprozess, in dem es hauptsächlich um die Geltendmachung von Ansprüchen aus Baumängeln geht:
Für das Gericht zählt das Gutachtenergebnis des von ihm beauftragten Sachverständigen.
In der Praxis führt dies leider allzuoft dazu, dass die Wahrheit bzw. Glaubhaftmachung* von einem fehlerhaften bis falschen Gutachten eines überforderten und unfähigen „Sachverständigen“ bestimmt wird. Nun tritt der unerwünschte Fall ein, dass nämlich nicht das Gericht urteilt, sondern der angeblich sachverständige Gehilfe mit dem sehr oft anzutreffenden Ergebnis, dass die Wahrheit* auf dessen Meinung, die er weder nachvollziehbar begründen noch irgendwie beweisen muss, reduziert wird. Er versucht seine Voreingenommenheit, die sich im persönlichen Dafürhalten und  Präferenzen offenbart, sein mangelndes Verständnis für das juristische Ziel seiner Beauftragung und sein fehlendes, für die richtige Beantwortung der Beweisfrage notwendige Fachwissen zu vertuschen, zum Beispiel mit apodiktisch anmutenden Aussagen, wie „sachverständigenseits“ und „aus sachverständiger Sicht“.
Dies ist eine Realität, die voll im Widerspruch zur einschlägigen Literatur steht.
Es ist erstaunlich, wie viele Prozessbeteiligte sich blenden lassen und hier weder technische noch juristische Schlüssigkeitsprüfungen anstellen.

Dass Urteile und Vergleiche auf solchen zweifelhaften Grundlagen nicht dem entsprechen, was landläufig unter Gerechtigkeit verstanden wird, dürfte somit einsehbar sein.

Der „gesunde Menschenverstand“ sieht die originäre Aufgabe der Gerichte darin, für Gerechtigkeit zu sorgen.  Dieses Gerechtigkeitsempfinden, das Gefühl für „ausgleichende Gerechtigkeit“  soll sich in der Gerichtsentscheidung widerspiegeln.

Laut der juristischen, das Gesetz beschreibenden, kommentierenden Literatur und bezogen auf Baumängel lautet der richtungsweisende Satz:

Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erbringung der Bauleistung gestanden hätte.

Diese Maxime kann auch von Nicht-Juristen akzeptiert werden.
Justiz kommt von iustitia = Gerechtigkeit.
Die Ausrichtung nach Gerechtigkeit muss oberstes Prinzip des Rechts sein, um als „richtiges Recht“ anerkannt und hingenommen werden zu können.

Im täglichen Leben stellt sich heraus, dass die großartige Idee der Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft nur sehr selten verwirklicht wird. In der Realität entpuppt sie sich als eine Illusion, die der persönlichen, individuellen Gefühlswelt des einzelnen Menschen entspringt.

Obwohl von der Theorie her jede Rechtsordnung der Verwirklichung der Gerechtigkeit verpflichtet sein müsste, also jedes Gerichtsurteil Gerechtigkeit herstellen, auch in sich selbst eine gerechte Handlung ausdrücken sollte, wird in der alltäglichen Praxis bei Bauprozessen in diesem Sinne selten für Gerechtigkeit gesorgt. Denn hinter den Gerichten stehen Menschen, die Gerechtigkeit nach ihrer Gefühls- und Erlebniswelt und nach der Herrschaftsstruktur (Gesetz und Verfahrensordnung), der sie unterstehen und von der sie leben, definieren, bewusst oder unbewusst nach ihren eigenen Interessen und Zwängen modifizieren oder ganz vernachlässigen. Letztlich ist in der Realität Gerechtigkeit abhängig von den gesellschaftlichen Machtstrukturen (Politik) und von tendenziösen Gesetzen im Sinne der jeweiligen Machtinteressen, die durch die Arbeit der Gerichte gesichert werden. So betrachtet, steht auf einmal auch die viel beschworene, verfassungsmäßige  Unabhängigkeit der Gerichte auf wackligen Beinen.
Also, Gerechtigkeit und Unabhängigkeit der Gerichte, alles nur auf Fiktion beruhendes Wunschdenken?

Im Zivilprozess haben Urteil und Vergleich gleichen Rang.
Das Urteil soll Recht und Gerechtigkeit gewährleisten, wohingegen der Vergleich lediglich  auf Ausgleich durch gegenseitiges Nachgeben = einvernehmliche Konfliktlösung abzielt.
Ein großer Teil der Prozesse wird durch einen Vergleich beendet, weil die ZPO erlaubt und fordert, dass der Vergleich favorisiert wird!

Vergleich    
= Vertrag, durch den der Prozess beendet wird und in der Regel ein
   materiellrechtlicher Vertrag nach § 779 BGB durch den die Parteien
   ihre Rechtsbeziehungen regeln (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).               
= einvernehmliche Beendigung des Bauprozesses im Wege beiderseitigen
   Nachgebens.
Beginn, Verlauf und Ende des Zivilprozesses liegen in den Händen der
Parteien (Dispositionsmaxime).
Erforderlich ist der übereinstimmende Wille beider Parteien.

Gemäß § 278 Abs. 1 ZPO soll das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreites hinwirken. Diese Maxime widerspricht eigentlich der oben erwähnten Idee der Rechtsprechung bzw. Urteilsfindung. Eine Schlichtung auf der Grundlage eines Vergleichs ist keine Rechtsprechung. Durch die Befolgung und Verwirklichung des Grundsatzes der „gütlichen Beilegung des Rechtsstreits“ erfährt der Verfahrensverlauf eine gewisse Tendenz zur Ungleichgewichtigkeit, entgegengesetzt zur angestrebten Gerechtigkeit, denn die „gütliche Beilegung“ löst Versprechen  und Verpflichtung zur „Gerechtigkeit“ auf.  Somit ist der Mangelverursacher in Bauprozessen, wo es um Mangelbehauptungen und Mangelbeseitigung geht, schon im Vorteil. Selbstverständlich bevorzugt er somit jegliche Vergleichsvorschläge, soweit diese ihn mindestens teilweise von der vollständigen Wiedergutmachung befreien.

Wenn die wegen Baumängel klagende Partei auf finanziell schwachen Beinen steht, was in der Regel nach ihrem Hausbau der Fall ist, und die Durchsetzung ihres Anspruch vor Gericht vorfinanzieren muss, steht sie logischerweise psychisch unter Druck. Sie ist in Bauprozessen unerfahren, während der Gegner so etwas durchaus gewohnt ist, es ist ja sein Geschäftsmodell. Außerdem kennt er oft die angespannte finanzielle Situation seines ehemaligen Kunden genau, schließlich hat er diese mit seiner Taktik selbst herbeigeführt.
Überlastete und überforderte Gerichte verstärken schon in der Güteverhandlung = Erörterung des Rechtsstreits mit den Parteien zum Zwecke einer gütlichen Einigung im Wege eines Vergleichs (§ 278 Abs. 2 ZPO) den Druck und schüren Angst mit bedrohlich wirkenden Hinweisen, z.B. dass die Durchsetzung des Anspruchs nicht so sicher sei, wie vom Kläger angenommen. Oder suggeriert hohe Prozess- und Gutachterkosten verbunden mit einer langen Verfahrensdauer.

So verkehrt sich die (naive?) Idee, ein Prozessvergleich würde hier zum Rechtsfrieden beitragen, in ihr Gegenteil. Solche Vergleiche sorgen für Verbitterung auf der (zu Unrecht) benachteiligten Seite
und für Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit. Sie werden als Gewalt empfunden, welcher der Benachteiligte ohnmächtig gegenübersteht. Es ist schon paradox, wenn von einem „Rechtsfrieden“ gesprochen wird, der in der Verfahrenspraxis mit Druck und Gewalt erzwungen wird. Eine Gewalt, die der versprochenen Gerechtigkeit hohnspricht, wenn das Urteil auf einem fehlerhaften Gutachten eines unfähigen Sachverständigen steht und, wenn dessen Fehlerhaftigkeit nicht zur Kenntnis genommen wird, kann dies nur als Unterdrückung empfunden werden.
So etwas spricht sich herum und hat eine abschreckende Wirkung auf andere Baupfusch-Geschädigte. Sie ziehen zum Vorteil des Baupfuschers schon gar nicht erst vor Gericht, denn sie wollen nicht doppelt „bestraft“ werden. Auf dieser Grundlage lohnt sich das Geschäftsmodell „Baupfusch“.
Da klingt es doch ziemlich zynisch, wenn manche Juristen trotzdem behaupten, in einem freien Land, wo Vertragsfreiheit herrscht, werde doch niemand zu einem unauskömmlichen Vergleich gezwungen

Also: Gegenseitiges Nachgeben gemäß § 779 BGB heißt nicht, sich in der Mitte treffen. Leistung und Gegenleistung müssen eben nicht in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, wie oft von Laien angenommen wird. Es muss nur jede Partei der anderen irgendetwas zugestehen. Es kann also keine Rede davon sein, die realen, vor Ort zu erwartenden Mängelbeseitigungskosten würden durch den Vergleich ersetzt.

Was ist im Bauprozess üblicherweise die Vergleichsgrundlage?
Die Schätzung der Mängelbeseitigungskosten durch einen gerichtlich beauftragten Sachverständigen.
Untaugliche Mängelbeseitigungsvorstellungen, unrealistische Kostenangaben des Gerichtsgutachters und der Druck des Gerichts auf den Antragsteller/Kläger zu einem für ihn bei weitem nicht auskömmlichen Vergleich stellen den Hauptgrund dafür da, dass sich Baupfusch immer mehr lohnt. Viele Baufirmen, wie Bauträger, Schlüsselfertig-Anbieter, Handwerker usw., haben dies erkannt und nutzen dieses fast risikolose Geschäft.

Über das Geschäftsjahr gesehen, bedeutet ein Vergleich für den beklagten Mangelverursacher, dass er ein Teil des Geldes, den er durch mangelhafte Leistungen eingenommen hat, behalten kann. Bleibt am Ende des Geschäftsjahres genug für ihn übrig, rechnet sich sein Geschäftsmodell, denn nicht jeder Bauherr wehrt sich. Viele lassen sich durch Kosten- und Regressdrohungen einschüchtern und durch leere Versprechungen hinhalten. Es gibt also keinen Grund im gerichtlichen Einzelfall auf die wirtschaftliche Existenz des Mangelverursachers Rücksicht zu nehmen, wie immer wieder bei den Mängelbeseitigungsvorstellungen und Kostenschätzungen in gerichtlichen Baugutachten und in Vergleichsvorschläge der Gerichte vermutetet werden kann.

§ 98 ZPO regelt sowohl, wer die Vergleichskosten an sich, als auch, wer die Prozesskosten zu tragen hat. Vorrangig ist danach, was die Parteien im Vergleich vereinbart haben. Fehlt eine derartige Abrede über die Kosten des Vergleichs, sind sie gemäß § 98 S. 1 ZPO gegeneinander aufzuheben.

Aufhebung der Kosten    
= jede Partei trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst
                            + die Hälfte der Gerichtskosten.

Das Gericht sichert sich den Vorteil, dass es sich sowohl die gedankliche Arbeit als auch die Zeit zur Urteilsfindung und –begründung spart und eine eventuelle Überprüfung durch eine höhere Instanz vermeidet. Das kann im Ergebnis für den Kläger bedeuten, dass er, wenn er seine prozessbegleitenden Kosten von der Vergleichssumme in Abzug bringt, nichts mehr für die Mängelbeseitigung, das eigentliche Ziel der Klage, übrig hat.

Aber dies ist noch nicht das Ende, es kann noch schlimmer kommen, wenn das Gericht die völlig unzureichenden Kostenvorstellungen des Gerichtsgutachters als Grundlage für einen Vergleichsvorschlag hernimmt, der noch weit unter den im Gutachten fehlerhaft ermittelten und unvollständig angegebenen Kosten liegt und damit den Antragsteller/Kläger unter Druck setzt.

Solche Vergleiche genügen nicht dem Gerechtigkeitsempfinden. Sie können keinesfalls als „gütlich“ bezeichnet werden. Das kann dazu führen, dass der klagende Baupfusch-Geschädigte zu den Mängelbeseitigungskosten noch seine Prozesskosten  zusätzlich auferlegt bekommt. Solche Ergebnisse können den Eindruck der gewollten Abschreckung vor Gerichtsgängen vermitteln.

Was kann der Grund dafür sein, dass sich die Zivilgerichte nicht um Rechtsprechung bemühen, was eigentlich Bürger von ihnen erwarten, sondern Vergleiche erzwingen, die nur einen Sieger haben,
nämlich den Mangelverursacher? Es mag sein, dass die Idee der Prozessabkürzung durch Vergleiche in anderen Branchen, Lebensbereichen usw. unserer Gesellschaft funktioniert bzw. für beide Seiten zufriedenstellende Ergebnisse bringen kann. In der Baubranche bei der Erstellung von privaten Wohnungsbauten mit Sicherheit nicht. So wird Pfusch am Bau zum einträglichen Geschäft.

In der Gesamtbetrachtung können sich folgende Vorteile für den
Mangelverursacher ergeben:

1. Vorteil = der Verfügungsgrundsatz:
Beim Vortrag für die Schlüssigkeit der Klage, bei der Beschreibung der Tatsachen kann der Baupfuscher immer auf eine ungeschickte, ungenaue und fachtechnisch untaugliche Formulierung der Beweisfrage hoffen, z.B. durch die bei vielen Rechtsanwälten beliebte Symptombeschreibung. Solche Formulierungen ergeben einen zu großen Spielraum für Fehlinterpretationen durch den Sachverständigen und unnötige Verteidigungsmöglichkeiten durch fiktive Behauptungen der Gegenseite. Hier ein (zugegebenermaßen) krasses Beispiel: „An der Ostfassade des Hauses blättert die Farbe ab.“

2. Vorteil = der Beibringungsgrundsatz:
Der Antragsteller/Kläger trägt die Behauptungs- und Beweislast. Fehler durch ungenügend konkretisiertes Vortragen nützen nicht nur der Gegenseite, sie können sich sogar kontraproduktiv auswirken, da das Gericht das gesamte Vorbringen, also auch das ungünstige, bewertet. Das Gericht ist an die Parteibehauptungen gebunden. Schlüssigkeit* geht vor Wahrheit*.
Fehler und Nachlässigkeiten des Klagevertreters, die in der Praxis beobachtet werden können, z.B.:
- Verzicht auf die Mitarbeit eines in diesen Dingen erfahrenen technischen
  Fachmannes. Der Beweis für die Berechtigung der
  Mängelbeanstandungen und des daraus geltend gemachten Anspruchs
  wird so unnötig erschwert.
- Das Unterlassen der Prüfung der Klageerwiderung auf Richtigkeit der dort
  getroffenen technischen Behauptungen.
- Technisch falsche bzw. unschlüssige, hinsichtlich des Klageziels nicht zu
  Ende gedachte Repliken oder gar der Verzicht auf Repliken, weil das
  Verständnis für die technischen Zusammenhänge fehlt.
- Das Nichterkennen der Schwächen der gegnerischen Argumentation.

So mancher Anwalt scheint darauf zu hoffen, dass ein Gerichtssachverständiger, den er schon aus anderen Verfahren her kennt, von sich aus die notwendigen Beweise erbringt. Das ist ein fataler Irrtum. Dessen Aufgabe besteht nicht darin Beweise zu verschaffen, sondern Beweisfragen zu beantworten, z.B. Mangelbehauptungen zu bestätigen oder auch nicht. Der Gerichtssachverständige ist streng an die Intention der Beweisfrage gebunden. Die Qualität bzw. die zielgerichtete Formulierung der Beweisfrage lenkt sowohl das Beweisverfahren als auch die Beantwortung durch den Gerichtssachverständigen.

3. Vorteil = Die Freiheit der Beweiswürdigung des Gerichts:
Das Gericht muss durch die Beweisangebote so überzeugt werden, dass es an der Wahrheit des Zutreffens der Behauptung keine vernünftigen Zweifel mehr hat. Das wirft die Frage auf: Welche Beweise überzeugen? In der Praxis richtet sich das Gericht nach dem Ergebnis eines Gutachtens seines sachverständigen Helfers. Auch hier zeigt die Erfahrung, dass Gerichte oft unfähige Helfer für die Erstellung der Gutachten beauftragen und deren unvollständige und falsche Bewertungen ihren Vergleichsvorschläge und im schlimmsten Fall ihrem Urteil zugrunde legen.

4. Vorteil = Der Sachverständigenbeweis:
Das ist der neuralgische Punkt bei Bauprozessen. Alles hängt von der Qualität des gerichtlich beauftragten Sachverständigen ab. Und dieses „Beweissystem“ funktioniert in der Regel nicht für den Anspruchsteller, sondern in der Hauptsache für den Anspruchsgegner, insbesondere im selbständigen Beweisverfahren. Gerichtssachverständige geben ihre Fehler so gut wie nie zu. Sie bleiben trotzig bei ihrer Meinung, möge sie noch so falsch und widerlegt sein. Sie flüchten in verharmlosende Relativierungen oder in Interpretationen, die an der Intention der Beweisfrage klar ersichtlich vorbeigehen oder stellen zu ihrer Verteidigung Behauptungen auf, die den falschen Kontext betreffen.
Da die Gerichte leider oft über Jahre die gleichen Helfer beauftragen, ist deren Unfähigkeit und zweifelhafte Vorgehensweise den prozesserfahrenen Pfuschverursachern und deren Anwälte gut bekannt. Selbst wenn die behaupteten Mängel im Gutachten bestätigt werden sollten, können sie noch immer auf „humane“  Schätzungen der Mängelbeseitigungskosten auf der Grundlage unzureichend ermittelter Mängelbeseitigungsmaßnahmen vertrauen.

5. Vorteil = Das selbständige Beweisverfahren:
Aus den beim Sachverständigenbeweis oben genannten Gründen ist dieses Verfahren in der Praxis für den Baupfusch-Geschädigten wenig hilfreich und daher kaum zu empfehlen. Ein Hauptsacheverfahren wird nur selten vermieden, das heißt, das Ziel, die Gerichte zu
entlasten, wird nicht erreicht.
Aufgrund der gerade in solchen vorprozessualen Verfahren überwiegend anzutreffenden mangelnden Qualität der Sachverständigenleistungen erscheint es klüger und effizienter, sofort in das Klageverfahren zu gehen. Denn hier ist das Gericht verpflichtet, die Leistungen seines sachverständigen Helfers zu überprüfen und deren Verhalten zu kontrollieren und sich mit den Einwänden gegen das Gutachten auseinander zu setzen.

6. Vorteil: 
Die Gleichberechtigung von Urteil und Vergleich und die daraus resultierende Bevorzugung des Vergleichs durch die Gerichte. Siehe dazu den oben stehenden Vortrag. Das heißt, der Vorteil für den Pfuschverursacher ist schon in der ZPO angelegt.

7. Vorteil = Die Finanzierung des Verfahrens durch den Antragsteller/Kläger.
Bauprozesse kosten, um sie am Laufen zu halten, viel Geld. Er muss die Kosten des Verfahrens vorfinanzieren. Dies setzt eine bestimmte Finanzkraft des Klägers voraus, die oft nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Mangelverursacher, die in der Regel die finanziellen Verhältnisse ihrer Gegner sehr gut kennen, auf das Versiegen dieser Finanzmittel spekulieren. Die Verfahren ziehen sich über mehr Jahre hin, als vom Kläger erwartet.
Die Schwierigkeiten, welche durch die Unfähigkeit des Sachverständigen, der zudem das meiste Geld verschlingt, provoziert werden, erscheinen mit der Zeit unüberwindlich. Wenn er dann noch feststellen muss, dass sein eigener Anwalt am zielgerichteten und erfolgreichen Fortgang des Verfahrens desinteressiert erscheint und nur noch mangelndes Engagement zeigt, werden Zweifel geweckt. Der Durchhaltewillen des in der Regel unerfahrenen Anspruchstellers geht verloren und macht ihn unter diesem Druck selbst für den unauskömmlichsten und klagezielvergessenden Vergleich zugänglich. Oder anders ausgedrückt: Er knickt ein, er ist gar.

Der wirtschaftlich Stärkere ist, wie so oft in unserer Gesellschaft, klar im Vorteil. Hier soll die Prozesskostenhilfe einen Ausgleich schaffen, aber in der Praxis stellt sich ihr Feigenblättchencharakter schnell heraus. Denn in der Regel verbleiben durchaus happige Ratenzahlungen an die Gerichtskasse. Der Anspruch wird auch sofort vom Gegner und dem Gericht in Frage gestellt, wenn der Anspruchsteller die Hilfe eines Privatgutachters in Anspruch nimmt.
Gerade im selbständigen Beweisverfahren, ist die Hilfe eines Baufachmannes aus Gründen der technischen Waffengleichheit unabdingbar bzw. systemimmanent. Das wird gerne ignoriert.

8. Vorteil = Die Unterstellung der Abzocke.
Dieser „postfaktische“ Generalverdacht schwebt immer über dem Verfahren. Er wird nicht immer direkt ausgesprochen, ist aber immer zu spüren: Der Kläger will gar nicht die angeblichen Mängel beseitigen, sondern nur im Nachhinein seinen Baupartner mit ungerechtfertigten Mängelbehauptungen abzocken und sein beratender Privatgutachter bestärkt ihn mit seinen Insinuationen darin. Diffamierungen und Drohungen sind oft die einzigen Waffen der Anwälte der Baupfuscher. Je mehr davon, desto sicherer kann der Kläger davon ausgehen, dass er auf dem richtigen Weg ist. Aber leider lassen sich anscheinend die Gerichte, bewusst oder unbewusst, davon beeindrucken: semper aliquid haeret. Anders können manche Vorstellungen der Gerichte hinsichtlich der Mängelbeseitigungskosten bei ihren Vergleichsvorschlägen nicht erklärt werden.

Es ist hier nicht das Ziel alle Vorteile erschöpfend aufzuzählen und darzustellen, zum Beispiel könnte noch der nicht zu unterschätzende Druck erwähnt werden, der von der Familie auf den Kläger, insbesondere vom Ehepartner, ausgeübt wird, das Verfahren endlich irgendwie zu beenden. Es soll auch nicht behauptet werden, dass alle Vorteile im einzelnen Verfahren zutreffen, aber sie können sich eben auch summieren.

Die Rolle der Gerichte in Bauprozessen:

Die ZPO ist nicht aus dem Nichts und nicht in objektiver Absicht entwickelt und weiter entwickelt worden. Sie ist die Vorgabe eines bestimmten politischen Machtwillens. Schon dadurch, dass sie den Gerichten zeigt, wie sie Zeit und Arbeit sparen können, greift sie richtungsvorbestimmend auf die Auslegung ein. Damit die Richtung auch sicher erhalten bleibt, wird noch zusätzlicher Druck aufgebaut. Es werden notwendige Mittel und Personal eingespart und die Leistungen der Richter und Richterinnen werden intern nach „erledigten“ Fällen beurteilt, also eher nach Quantität als nach Qualität. So werden die Gerichte gezwungen (oder verführt?), Vergleiche vorzuziehen und durchzusetzen. Mit dem Verzicht auf die Anstrengungen und Mühen zur Rechtsprechung geht in der Regel auch die Gerechtigkeit (Billigkeit) verloren. Die Freiheit der Gerichte wird durch Druck „von oben“, den die Politik zu verantworten hat, eingeschränkt.
Die Bevorzugung des Prozessvergleichs, der keine Rechtsprechung bzw. Weiterentwicklung des Rechts darstellt, ist das Ergebnis, was in dieser durch die Politik künstlich bzw. bewusst hergestellten Zwangslage das Verhalten der Gerichte nachvollziehbar machen kann, aber nicht aus der Sicht der nachteilig Betroffenen, die um Rechtsprechung ersuchen und keinen für sie ungünstigen Vergleich, sondern eine gerechte, ausgleichende Wiedergutmachung für eine erlittene Pflichtverletzung durch den Beklagten erwarten.

Angeblich bindet ein Sachverständigengutachten den Richter nicht. Aber die ZPO lässt es auch zu, dass er sich binden lässt, wie die tägliche Praxis zeigt. Dies ist dann unter der „freien Beweiswürdigung“ zu subsumieren?
Wenn ein Gericht sich „systemkonform“ verhält, in dem es dem leichtesten Weg folgt und das Ergebnis eines Sachverständigengutachtens einfach akzeptiert, ohne sich mit diesem in der erforderlichen Weise auseinanderzusetzen, gibt es ein Stück seiner ohnehin schon eingeschränkten Macht ab, indem es sich weitgehend seinem sachverständigen Gehilfen ausliefert. Eine direkte Machtübergabe an Gehilfen, deren Sachverstand und Fähigkeiten, wie die Praxis immer wieder zeigt, hinsichtlich der zweifelsfreien Lösung ihrer Aufgabenstellung so unzureichend sind, dass sogar angenommen werden kann, dass sie nicht einmal die Intentionen der ihnen anheimgegebenen Beweisfragen verstehen.
Die oft zu hörende Behauptung scheint zu stimmen, dass nicht die Gerichte, sondern ihre sachverständigen Helfer, die nicht zum Richteramt ausgebildet sind, entscheiden. Gerichte, welche die von ihnen in Auftrag gegebenen Gutachten weder formal noch inhaltlich kontrollieren, schaffen sich selbst ab. Sie werden zu Verwaltern.

Gerichte verlassen sich auf die Meinungen ihrer sachverständigen Helfer, ohne diese auszubilden, indem sie ihnen das für deren jeweiligen Aufgabenstellungen notwendige juristische Rüstzeug mitgeben und ohne sie durch ständige Kontrolle zu erziehen. Sie vertrauen auf das Versprechen der IHK und Handwerkskammern, welche für die Qualität der von ihnen bestellten Sachverständigen sorgen sollen. Wieder ein Paradoxon: Unabhängige Gerichte machen sich abhängig von außergerichtlichen Institutionen, die ausschließlich ihrem wirtschaftlichen Interesse nachgehen?

So kann es auch nicht verwundern, dass in die ZPO das Institut des „selbständigen Beweisverfahrens“ eingeführt worden ist, das die Gerichte auf die Verwaltungsaufgabe reduziert und somit den „Sachverständigen“ einen unkontrollierten Freiraum zuspricht. Dieses vorprozessuale Verfahren sollte eine Entlastung der Gerichte bringen, aber in Wirklichkeit kann es auch als Einschränkung, als eine Art Entmachtung angesehen werden.

Die ZPO verbietet dem Gericht nicht, a
ußergesetzliche Beweisregeln anzuwenden. Das Gesetz befreit es nach § 286 ZPO zwar weitgehend von gesetzlichen Beweisregeln, aber befreit es auch von der Anwendung der Natur- und Denkgesetzen, der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gesunden Menschenverstand? Können und dürfen diese der „freien Beweiswürdigung“ geopfert werden?

Die Schlüssigkeit* des Parteivorbringens geht vor Wahrheit*. Zum Beispiel ist dann ein Klageantrag schlüssig, wenn keine Gegennorm den behaupteten Anspruch ausschließt, zerstört  oder hemmt.
Die Schlüssigkeit im Prozessrecht beruht auf system-logischem Denken im Rahmen der ZPO. Wenn also die Schlüssigkeit das entscheidende Kriterium sein soll, wieso spielt das logische Denken bei der Beurteilung der Leistungen der „sachverständigen Helfer“ der Gerichte keine Rolle mehr? Können denn fehlerhafte Gutachten, falsche Mängelbeseitigungsvorstellungen, unzureichende fiktive Mängelbeseitigungskosten, ungenügende Aufgabenerfüllung usw. als Erfüllung der systemgerechten Schlüssigkeit angesehen werden? Logik beruht auf dem Ziehen richtiger Schlussfolgerungen, die nur dann richtig sein können, wenn deren inhaltlichen Aussagen richtig sind. Im prozessrechtlichen System scheinen aber bei dieser Logik Schlüssigkeit und Richtigkeit auseinander zu driften, wenn Gerichte die Gutachtenleistungen ihrer Helfer bewerten und ihren Vergleichsvorschlägen zugrunde legen. Formale Schlüssigkeit schlägt inhaltliche Schlüssigkeit?

Die Rolle der Rechtsanwälte, die Baupfusch-Geschädigte vor Gericht vertreten:

Die oben beschriebene Abschreckung vor dem Gang zum Gericht kann nicht im beruflichen und geschäftlichen Interesse der Rechtsanwälte liegen, insbesondere nicht von denjenigen, die als Fachanwälte für Bau- und Architektenrecht werben. Deshalb ist es erstaunlich, dass auch diese Rechtsanwälte Vergleichsvorschlägen zustimmen, die offensichtlich und klar nachweisbar auf fehlerhaften bis völlig falschen Gutachterleistungen gründen und sich daher für ihre Mandantschaft ungünstig bis katastrophal auswirken. Ein Anwalt hat die berechtigten Interessen seiner Mandantschaft zu wahren und daher die Pflicht sich kritisch mit den Leistungen des Gerichts und dessen sachverständige Helfer auseinander zu setzen. Deshalb ist die Auswahl des Anwalts mitentscheidend für den Erfolg bzw. Misserfolg. Seine Qualität, die sich durch Können und  unermüdliches Engagement manifestiert, ist unabdingbare Voraussetzung.

Ein Anwalt beweist seine fachliche Qualität in Baumängelfällen, indem er
zum Beispiel
-
im Vorfeld schon den Ist-Zustand vor Ort und die Sollbeschaffenheit der
Bauleistung (vertragliche Vereinbarung und/oder allgemein anerkannte
Regel der Bautechnik) ermittelt oder durch einen Fachmann ermitteln lässt,
d.h. die Mangelbehauptung seines Mandanten durch einen Vergleich mit
der entsprechenden Regel der Bautechnik prüfen lässt, um das
Prozessrisiko für seinen Mandanten zu minimieren;
-
sich in seinem Klageantrag nicht auf eine „Symptombeschreibung“ verlässt,
sondern die Beanstandung bzw. die Mangelbehauptung substantiiert
vorträgt, das heißt, unter Nennung der Regel der Bautechnik gegen die
verstoßen worden ist (nur so kann er später kontrollieren, ob der
Sachverständige die Mangelbehauptung auch nach den Forderungen
dieser Regel geprüft hat oder ob dieser die Regel ignoriert und einfach  „sachverständigenseits“ behauptet, ohne irgendeinen Beweis für die
Richtigkeit seiner Behauptung zu liefern);
-
in seinem Beweisantrag den Gegenstandswert nicht zu niedrig ansetzt,
also schon im Vorfeld durch einen Fachmann realistisch ermitteln lässt,
denn manche Gerichtssachverständige scheinen sich bei ihrer Angabe
der Mängelbeseitigungskosten am antragstellerseits angegebenen
Gegenstandswert zu orientieren;
-
die Klageerwiderung sorgfältig auf deren Schlüssigkeit prüft und
technische Behauptungen durch einen Fachmann auf Richtigkeit und
Zutreffen untersuchen lässt, z.B. ob diese Gegenbehauptungen
überhaupt im gleichen Kontext anzusiedeln sind, usw.;
-
das gerichtliche Baugutachten überprüft oder, wenn nötig, durch die
Hilfe eines in diesen Dingen erfahrenen Fachmanns die Richtigkeit und
Zweifelsfreiheit kontrollieren lässt;
-
ein erwiesenermaßen mangelhaftes Gutachten nicht akzeptiert;
-
gegen offensichtliches Fehlverhalten des Sachverständigen bei
Ortsterminen in der notwendigen Weise einschreitet , z.B. bei
Befragung der Gegenseite durch den Sachverständigen, die in eine
Beratung zu deren Verteidigung ausartet;
-
gegen unvorschriftsmäßiges Verhalten der Gegenseite  (z.B.
Kontaktaufnahme mit dem Sachverständigen; direkte Übergabe von
Unterlagen an den Sachvorständigen, ohne dass der Kläger offiziell
durch das Gericht darüber informiert wird und ohne diesem eine
Kopie zukommen zu lassen;) entsprechend vorgeht;
-
bei Ortsterminen die Arbeit und Vorgehensweise des Sachverständigen
kritisch beobachtet und insbesondere darauf achtet, dass auch alle
Beweisfragen in der gebotenen Weise behandelt bzw. abgearbeitet
werden;     
-
sich gegen die Prozessverschleppung der Gegenseite wehrt (z.B. bei
ständigen Anträgen auf Fristverlängerung wegen angeblicher
Arbeitsüberlastung, Urlaub usw.; bei mehrfachen Absagen des
Erscheinens zum Ortstermin, worauf der Sachverständigen den Termin
dann auch mehrfach verschiebt; bei immer neuen Anträgen auf Anhörung
des Sachverständigen zu sinnlosen, das Gutachten nicht mehr
betreffenden Fragen, usw.);
-
einen Vergleichsvorschlag daraufhin überprüft, ob dieser dem Ziel seines
Klageantrags annähernd entgegenkommt, den Interessen seines
Mandanten entsprechen kann bzw. ob er für die angestrebte
Mängelbeseitigung kostenmäßig auskömmlich ist, in der Gesamtschau
vernünftig ist;
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sich vom Gericht und dem Gegner nicht durch auf Fiktionen beruhenden,
aus der Luft gegriffen Drohungen und Vorhersagen zu einem für seinen
Mandanten ungünstigen und zielvergessenden Nachgeben manipulieren
lässt;
-
darauf achtet, dass er auch in der letzten mündlichen Verhandlung das Ziel
seiner Klage nicht aus den Augen verliert;

indem er die Voraussetzung für eine auskömmliche Kostenerstattung
berücksichtigt, zum Beispiel:
Kosten für Rückbau + Neuaufbau +  sonstige Kosten, die ohne die
Notwendigkeit der Mängelbeseitigung nicht entstanden wären
+ prozessnotwendige und – begleitende Kosten usw. getreu dem
Grundsatz: 
Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erbringung der
Bauleistung gestanden hätte
.
-
durch sein ständiges Engagement den Druck auf die Gegenseite
aufrechterhält.

Wird dem im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatz gefolgt, so ist systemgemäß zuallererst die beteiligte Anwaltschaft aufgefordert, zu prüfen, ob das vorgelegte Gutachten zu begründeten Zweifeln Anlass gibt. Wenn ja, dann sind die notwendigen Gegenbeweise dem Gericht vorzulegen. Dies gilt auch im vorprozessualen selbständigen Beweisverfahren. Hier fehlen oft Wille und Interesse zu einem entschiedenen Vorgehen, das notwendig wäre, um einen für den Antragsteller/Kläger auskömmlichen Vergleich zu erreichen.

Schlusswort:
In der alltäglichen Verfahrenspraxis kann festgestellt werden, dass die Gerichte den für sie einfachsten Weg gehen, nämlich den Prozessvergleich gemäß der ZPO zu favorisieren. Das heißt, dass die ZPO in der realen Umsetzung für gerechte Vergleiche in Bauverfahren solange keine akzeptable Grundlage bildet, wie der folgende Grundsatz nicht erfüllt wird:

Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erbringung der
Bauleistung gestanden hätte.


Nur dann hätte der Vergleich wirklich den Rang eines Urteils. Aber so ist das vermutlich vom Gesetzgeber nicht gemeint. Die inhaltlichen Schwerpunkte eines berechtigten Anspruchs, wie Wiedergutmachung und Auskömmlichkeit, bleiben auf der Strecke. Aber, wo steht sowohl im BGB als auch in der ZPO, dass Prozessvergleiche für den Geschädigten nicht auskömmlich im Sinne von kostendeckend sein dürfen?
Im Grundgedanken eines Prozessvergleichs in Baumängelsachen ist die Ungleichgewichtigkeit zum Vorteil des Baupfuschers schon systemimmanent. So gesehen, könnte behauptet werden, dass durch die Möglichkeiten der ZPO der Pfusch am Bau nachträglich legalisiert werden kann. Denn in der realen Prozesswelt braucht er seinen durch Pfusch erschlichenen Vorteil nicht in vollem Ausmaß zurückzugeben. Von der Differenz kann er immer noch gut leben. Solange dies sich für ihn rechnet, bleibt Pfusch für ihn attraktiv.

Die eingangs angeführte These, der Vergleichszwang in Bauprozessen begünstige den Pfusch am Bau, dürfte somit als bestätigt angesehen werden können.

PETER  KLENK                                 
Ingenieur (grad.) Fachbereich Architektur 
Wirtschaftsingenieur (grad.)  
Carl-Benz-Str. 4             
76437 Rastatt        
Fon 07222-967699       
E-Mail info@baukontrolle-klenk.com 

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Stand 07.05.17